Handel, deutsche Unternehmen in Polen, polnische Unternehmen in Deutschland
Deutschland ist Polens wichtigster Handelspartner: jährlich werden Waren im Wert von rund 60 Mrd. € über die Grenzen gefahren. 13.000 deutsche Unternehmen sind seit der Transformation in Polen sesshaft geworden. Immer wieder werden die deutsch-polnischen Beziehungen als dynamisch, stark und zukunftsweisend charakterisiert.
Wo haben diese jedoch ihren Ursprung? Wie sind sich die Nachbarländer einander näher gekommen? Was genau macht ihre Handelsbeziehung aus? Welche Waren sind davon betroffen? Und welche Unternehmen entschließen sich dazu, ins Nachbarland zu siedeln?
I Einführung in die Thematik
II Ein Blick nach Polen: Wirtschaftsdaten und – Entwicklung
III Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Nachbarländern
IV Deutsche Unternehmen in Polen
V Polnische Unternehmen in Deutschland
VI Fazit: Deutsch-Polnische Wirtschaftsverflechtungen
II Einführung in die Thematik
„Die Größe beider Staaten, die historischen Belastungen der bilateralen Beziehungen und die Neugewichtung der mitgliedsstaatlichen Einflussverteilung innerhalb der EU begründen den hervorgehobenen Rang des deutsch-polnischen Verhältnisses.“
Laut dem Botschafter der Republik Polen in Deutschland sind folgende Ereignisse für die gute Zusammenarbeit zwischen seinem Heimat- und dem Gastland von großer Bedeutung:
Zu den politischen und institutionellen Determinanten zählt er das politische Klima in beiden Staaten, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, sowie die geschaffene Rechtsgrundlage für die bilaterale Kooperation. Der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (17.06.1991), das Beitrittsabkommen (ab 01.05.2004), sowie das Änderungs – und Ergänzungsprotokoll über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (28.10.2005) sind einige solcher Rechtsprechungen, die eine Harmonisierung beider Staaten fördern.
Wirtschaftliche Determinanten, auf welche im Folgenden näher eingegangen werden soll, sind die Wirtschaftslage, das stetige Wirtschaftswachstum Polens, das Absinken der Arbeitslosenquote in Polen (von 14,9 % in 1995 auf 11,4 % in 2007), der rege Handelsaustausch und die Zunahme im Investitions- und Kapitalfluss zwischen den beiden Staaten . Mehrfach wird betont, dass der beständige Anstieg im Handelsaustausch erst durch die Transformation und die Umstrukturierung Polens mit dem einhergehenden kontinuierlichem Wirtschaftswachstum ermöglicht wurde.
In der Tat entwickelten die deutsch-polnische Beziehungen nach der deutschen Wiedervereinigung und den tiefgreifenden Reformen zur Veränderung in Mittel- und Osteuropa eine beeindruckende Dynamik. Den Auftakt zu intensiven Kontakten bildete der „deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit“, der am 17. Juni 1991 abgeschlossen und durch einen Handschlag zwischen dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Karol Bieleck und dem Bundeskanzler Helmut Kohl besiegelt wurde. Auf diesen Freundschaftsvertrag folgten häufige Treffen der Minister oder Staatspräsidenten beider Länder, welche stets eine enge Partnerschaft und Kooperationsbereitschaft zum Ausdruck brachten. So fand auch Merkels und Westerwelles erster Auslandsbesuch wenige Tage nach den Wahlen (im Dezember 2005 und 2010) in Polen statt.
Die Zusammenarbeit der beiden Nachbarstaaten ist allerdings nicht nur politischer Art, sondern manifestiert sich auch im Wirtschaftsaustausch, wie im Folgenden dargestellt wird.
III Ein Blick nach Polen: Wirtschaftsdaten und – Entwicklung
Das tatsächliche Ausmaß der Auswirkungen der intensiven Handelsbeziehungen zwischen Polen und Deutschland kann nicht so ohne Weiteres eindeutig festgelegt werden. Sowohl die Entwicklung des Wirtschaftswachstums und somit auch des Handelsvolumens, als auch die Integration der beiden Arbeitsmärkte werden von vielen Faktoren bestimmt: „Größe und Faktor-Ausstattung der Volkswirtschaft, Arbeitsmarktsituation und -regelungen“ spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Um einen Einblick in die wirtschaftlichen Strukturen und vorherrschenden Rahmenbedingungen zu erhalten, wird in den folgenden Abschnitten eine Gegenüberstellung der beiden Länder (an Hand relevanter Volkswirtschaftlicher Daten) erfolgen.
2008 | Polen | Deutschland |
Bevölkerung in Mio | 38.14 | 82.3 |
Bevölkerungsdichte (pro km2) | 122 | 230 |
BIP (Mrd €) | 359.8 | 2491.4 |
BIP/Kopf (€) | 9434 | 30270 |
Wachstumsrate (real) | 4.80% | 2.60% |
Inflationsrate | 4.20% | 2.60% |
Arbeitslosenrate | 9.50% | 7.90% |
Quelle: Eigene Berechnungen über Auswärtiges Amt und Statistisches Bundesamt
Mit einer Bevölkerungszahl von 38 Mio. ist Polen in etwa halb so groß wie Deutschland. Der Vergleich des BIP – der allgemein anerkannten wirtschaftlichen Kennzahl für die Größe einer Volkswirtschaft – zeigt den Größenunterschied beider Länder noch prägnanter. Mit 2490 Mrd. Euro war das BIP in Deutschland im Jahr 2008 fast 7-mal so hoch wie das im Nachbarstaat. Dem BIP pro Kopf eines Deutschen stand figurativ eine Summe gleich dem BIP von drei polnischen Bürgern gegenüber (Jahr 2008). Stärker war der Unterschied noch in den Jahren zuvor: Im Jahre 2004 war das BIP pro Kopf in Deutschland mit 26.400 Euro um knapp 21.300 Euro höher als in Polen und entsprach so dem BIP pro Kopf 5 polnischer Staatsbürger.
Erst die Umrechnung auf eine einheitliche Währungsbasis (den Kaufkraftstandards, KKS) ermöglicht einen wirklichen Vergleich. Der Kaufkraftstandard ist eine Kunstwährung, die dazu dient unterschiedliche Preisniveaus in den Ländern auszugleichen. Die Einführung dieser Einheit ermöglicht daher „aussagekräftige Volumenvergleiche der Wirtschaftsindikatoren verschiedener Länder“. Der Vergleich dieser in Relation gesetzten Werte fällt weniger deutlich als die Betrachtung der absoluten Werte aus. Im Jahre 2004 lag Deutschland mit 25.200 KKS 2,3 Mal über dem polnischen Niveau. Vier Jahre später hat sich diese Diskrepanz bereits merklich verringert: Mit einem BIP pro Kopf in KKS von 29.000 lag es in Deutschland nur noch 2 Mal über dem polnischen Niveau (2008: Deutschland: 29.000 KKS, Polen: 14.100 KKS). Die Österreichische Nationalbank prognostiziert eine weitere Annäherung der KKS-Werte beider Volkswirtschaften: Im Jahre 2011 soll das deutsche BIP pro Kopf gemessen in KKS nur noch 1,9 Mal höher als das polnische Gegenstück sein (Prognose 2011: Deutschland: 29.100 KKS, Polen: 152000). Diesen Berechnungen zur Folge wird das polnische BIP pro Kopf ein Wachstum um 7,80 % in 4 Jahren erreichen und somit das deutsche, langsamer wachsende BIP pro Kopf (0,34 % in 4 Jahren) einholen.
Die Wirtschaft Polens hat in den letzten Jahren enorme Wachstumsraten verzeichnen können: Betrug das BIP pro Kopf gemessen in KKS im Jahre 1995 noch 6.300, so hatte es sich bereits 13 Jahre später mehr als verdoppelt und erreichte einem Wert von 14.100 KKS (Jahr 2008):
BIP – Wachstum in den Jahren 1995 – 2007 in %
Quelle: Statistische Hauptamt in Polen, Destatis
Im Durchschnitt wurde eine jährliche Wachstumsrate von 4,7 % erreicht, welcher nur in den Jahren des Platzen der DotCom-Blase unterschritten wurde. Selbst eine so eingeschränkte Betrachtung, lässt deutlich erkennen, dass Polen einen tiefgreifenden Wandel erfahren hat. In der Tat durchlebte die Wirtschaft Polens in den 80er Jahren „eine Periode andauernder krisenhafter Zustände in nahezu allen Bereichen“, welche nachhaltige Auswirkungen auf die politische, ökonomische und soziale Stabilität der Republik hatte. Nur schrittweise konnten diese in den folgenden Jahre überwunden werden und erst im Jahre 1989 konnte in etwa das Vorkrisen-Niveau erreicht werden. Die Annäherung an das europäische Niveau – welche seitdem erfolgte – ist schon aus dem obigen BIP und BIP pro Kopf Vergleich über den kurzen Zeitraum von nur 4 Jahren ersichtlich.
Zur Verdeutlichung der rasanten und umgreifenden Entwicklung Polens seit Beginn der 90er Jahre, ist ein Blick in das Jahr 1989 informationsreich: Die damalige Lage des Landes ist durch Hyperinflation von über 500 %, verdeckter Arbeitslosigkeit, überholter und nicht effizienter Industrieunternehmen, hoher Auslandsverschuldung bei westlichen Banken, sowie einer rückständigen Landwirtschaft charakterisiert. Die Umwandlung Polens in eine funktionierende Marktwirtschaft, wie wir sie heute kennen, begann in eben diesem Jahr (1989) mit der Einführung des Balcerowicz-Plans. Mit dem obersten Ziel die Inflation einzudämmen wurden so wichtige Veränderungen bewirkt. Das Stabilisierungsprogramm des damaligen Finanzministers sah folgende Hauptpunkte vor: Freigabe der Preise, Geldknappheit, Einführung der internen Konvertibilität (Stabilisierung des polnischen Zloty zum Dollar) und Vorbereitung der vollen Konvertibilität. Gefördert wurden des Weiteren ein Anstieg der Importe, die Eindämmung von Lohn- und Gehaltssteigerungen und eine verschärfte Kontrolle der Unternehmensfinanzen. Ein neues Steuersystem wurde eingeführt und mit dem Ziel die bestehende Wirtschaft zu einer leistungsfähigen Privatwirtschaft umzuwandeln, wurde die Privatisierung der Staatsunternehmen gefördert.
Unterstützt wurde Polen durch seine westlichen Nachbarn mit der Bereitstellung von Krediten für den Import von Investitions- und Konsumgütern und der Gewährung von Stabilisierungsdarlehen zur Förderung der Privatisierung der Wirtschaft. Diese finanziellen Hilfen stärkten die polnische Währung und führten zu einer weiteren Öffnung des Europäischen Marktes für polnische Exportgüter.
Wie wir heute erkennen können, hat sich die polnische Wirtschaft durch diese Maßnahmen stabilisiert und für die Welt geöffnet. Genau wie die wirtschaftliche Lage im Inland, entwickelte sich auch der polnische Außenhandel sowohl auf der Export- als auch auf der Importseite sehr dynamisch. Der Schwerpunkt hat sich im Jahre 2008 weitestgehend auf die EU-Mitgliedsstaaten verlagert (77,5 % der Exporte Polens und 61,4 % der Importe), „wobei Deutschland als mit Abstand größter Handelspartner Polens eine herausragende Stellung einnimmt“. Polens Wirtschaft hat seit Beginn der Transformation eine bedeutende Entwicklung durchlaufen und belegte im Jahre 2008 den siebten Rang unter allen Nationalökonomien der EU. Die Inflation fiel innerhalb von drei Jahren auf 43 % und unterschritt in den folgenden Jahren die 10 %-Marke. Polens heutige Wirtschaftsstruktur reflektiert ebenfalls Veränderungen: Der Dienstleistungssektor trägt zu fast 56 % zur Bruttowertschöpfung bei, während die Industrie nur noch 21 % ausmacht. Der Strukturwandel könnte auffälliger nicht sein.
Die Republik Polen ist gegenwärtig eine stabile, parlamentarische Demokratie, die als starker Partner neben Deutschland steht. Wie tiefgreifend diese bilateralen Beziehungen sind und welche Bedeutung sie für die jeweilige Volkswirtschaft haben, wird in den folgenden Kapiteln dargelegt.
IV Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Nachbarländern
Die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung, die in Polen seit Beginn des Systemwechsels einsetzte, bildet die Grundlage für die Handelsbeziehungen mit den Nachbarländern – so auch mit Deutschland.
Der polnische Außenhandel hat seit dem Jahre 2008 einen Fokus auf die EU-Länder verzeichnet. Deutschland hebt sich jedoch deutlich von den anderen EU-Mitgliedsstaaten ab: Als mit Abstand wichtigster Handelspartner Polens empfang Deutschland im Jahr 2008 25 % der polnischen Gesamtausfuhr und kam für etwa 23 % der polnischen Gesamteinfuhr auf. Seit der Transformation Polens stieg das Handelsvolumen zwischen den beiden Nachbarstaaten kontinuierlich an, sodass innerhalb von 13 Jahren eine Steigerung um etwa 26,7 Mrd. € erreicht werden konnte (1992: 8,04 Mrd. € – 2004: 34,76 Mrd. €).
Für das Jahr 2008 sahen die Handelsvolumina folgendermaßen aus:
2008 | Veränderung zum Vorjahr | |
Deutscher Außenhandel mit Polen (Mrd. €) | ||
Umsatz | 66.3 | 10.10% |
Importe | 26.2 | 9% |
Exporte | 40.1 | 10.90% |
Saldo | 13.9 | – |
Platz auf Handelspartnerliste | 11 | – |
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Polen/Wirtschaftsdatenblatt.html
Für Deutschland brachte der Handel mit Polen im Jahr 2008 ein Plus von 13,9 Mrd. €. Die Einfuhren aus Polen stiegen mit 26,2 Mrd. € um 9 % innerhalb eines Jahres an und auch Deutschland konnte im Gegenzug Waren im Wert von 40,1 Mrd. € in Polen absetzen, was einer Änderung um knapp 11 % gleichkam. Im Jahr 2009 wurde der Handel zwischen den Nachbarstaaten noch angeregter, sodass Polen einen Platz aufholte und auf Platz 10 der größten Handelspartner Deutschlands aufstieg. Der polnische Außenhandel mit Deutschland hat ähnlich positive Bewegungen erlebt, welche allerdings im Laufe des Jahres 2009 abgedämpft wurden. Infolge der internationalen Finanzkrise hat es einen Einbruch um 17,1 % in der Gesamtausfuhr und um 26,3 % in der Gesamteinfuhr Polens gegeben. Die Republik Polen verzeichnete somit ein negatives Saldo in der Handelsbilanz 2009. Die Auswirkungen der Krise waren auch im Außenhandel mit Deutschland spürbar, führten jedoch nicht zum Abrutschen von Position 1 der Rangliste der wichtigsten Handelspartner Polens.
Für die ersten zwei Monate 2010 konnten erneut positive Wachstumsraten von 1,3 % und 0,6 % im Export und Import (aus Deutschland nach Polen; im Vergleich zu Januar / Februar 2009) verzeichnet werden. Würde man die Werte auf das Jahr 2010 hochrechnen, so käme man auf einen Gesamtwert der Einfuhren von 21,78 Mrd. € und der Ausfuhren von 24,96 Mrd. €, welche den Werten für das Jahr 2008 stark ähneln.
Januar/Februar2010 | Veränderung zu Januar/Feb 2009 | |
Polnischer Außenhandel mit Deutschland (Mrd. €) | ||
Umsatz | 7.79 | – |
Importe | 3.63 | 0.60% |
Exporte | 4.16 | 1.30% |
Saldo | 0.53 | – |
Platz auf Handelspartnerliste | 11 | – |
Quelle: Central Statistical Office (2010), http://www.stat.gov.pl/gus/5840_970_ENG_HTML.html
Von den Waren im Wert von 12,86 Mrd. €, die in den ersten beiden Monaten 2010 aus Polen in die EU exportiert wurden, gingen in etwa 33 % (Waren im Wert von 4,16 Mrd. €) nach Deutschland. Deutschland hat auch nach der weitestgehenden Überwindung der Finanzkrise seine Vorreiterstellung behalten.
Unter den polnischen Ausfuhren dominieren Maschinen, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte, chemische Produkte und Möbel, während Deutschland verstärkt Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge, Elektrotechnik sowie chemische-und Kunststofferzeugnisse exportiert.
Im Jahre 2007 machten Teile und Zubehör für Kraftfahrzeuge 6,72 % der Gesamtausfuhr aus und nahmen mit einem Warenwert von 840 Mio. € Platz 1 der wichtigsten Ausfuhren nach Deutschland ein; dicht gefolgt von Sitzmöbeln (665,9 Mio. € und somit 5,33 % der Gesamtausfuhren) und Drähten, Kabeln und anderen elektrischen Leitern (454,8 Mio. € = 3,64 %). Polen hingegen importierte bevorzugt Personenkraftwagen (mit einem Warenwert von 460,1 Mio. € = 3,48 % der Gesamteinfuhren), Erdöl/Öl aus bituminösen Mineralien (411,2 Mio. € = 3,11 %), Teile für Motoren (313,2 Mio. € = 2,37 %) sowie Automobil – Anhänger (237,9 Mio. € = 1,8 %) aus Deutschland.
Polnische Ausfuhren nach Deutschland (2007)
Die Struktur der Ausfuhr bzw. Einfuhr aus Deutschland für das Land Polen ist in den obigen Diagrammen dargestellt. In beiden Fällen nahmen Erzeugnisse der Elektro- und Maschinenbauindustrie eine übergeordnete Rolle ein (39 % der polnischen Ausfuhren nach Deutschland und 43 % der polnischen Einfuhren aus Deutschland). Ebenfalls wichtig waren die Erzeugnisse der Chemieindustrie (10 % der Ausfuhren sowie 20 % der Einfuhren Polens) und die der Metallindustrie (17 % der Ausfuhren sowie 16 % der Einfuhren Polens).
V Deutsche Unternehmen in Polen
Seit Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit zum 1. Januar 1989 haben sich in Polen viele kleine und mittlere Privatunternehmen gegründet – bis Ende 1991 sind so fast 1,5 Mio. Unternehmen entstanden. Den höchsten Anteil halten private Unternehmen im Bereich des Handels. Der Privatsektor hatte Ende 1991 bereits 45 % Anteil am Bruttoinlandsprodukt und „beschäftigte fast 50 % der polnischen Arbeitnehmer“. 17 Jahre später waren 84 % der Unternehmen dem privaten Sektor zuzuschreiben (2008). Zu den nunmehr 3,8 Mio. polnischen Unternehmen kamen seit dem Jahr 1989 13.474 deutsche hinzu.
Der Zustrom deutscher Unternehmen nach Polen wurde auch durch Subventionsprogramme der Europäische Union begünstigt: Das Prinzip der Wettbewerbsgleichheit innerhalb der EU eröffnet neben der Förderung ausländischer Investitionen durch die Republik Polen auch ausländischen Firmen die Möglichkeit für bestimmte Vorhaben Fördermittel zu erhalten. Es werden Investitionsvorhaben mit überregionaler Bedeutung, die das Ziel sehen, die Einkommenssituation zu verbessern und die Wirtschaftsstruktur zu stärken, durch Fördermittel unterstützt. Darunter fallen z.B. Erstinvestitionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder Investitionen in neue Technologien.
Mehr als 4/5 der Gesamtinvestitionen, die in Polen getätigt wurden, stammten im Jahre 2005 aus der EU-15, und davon waren allein 19 % auf deutsche Investoren zurück zu führen. Der Zustrom von deutschen ADI (Ausländische Direktinvestitionen) nach Polen nahm kontinuierlich zu und erreichte im Jahre 2007 einen Hochpunkt von 17,3 Mrd. €. Bei den ADI in Polen stehen deutsche Unternehmen an erster Stelle – sowohl der Anzahl als auch der Summe nach: Die deutschen Direktinvestitionen belaufen sich seit dem Systemwechsel 1989/1990 auf mehr als 20 Milliarden €. Hinzu kommen die statistisch nicht erfassten Investitionen von weniger als 1 Mio. €, die besonders in den Grenzregionen und bevorzugt von kleinen und mittelständigen Unternehmen getätigt werden. Mit Schwerpunkten in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in Chemie-/Pharmaindustrie investieren deutsche Unternehmen zunehmend in technologisch fortgeschrittene Produktionsprozesse und Entwicklungsaktivitäten. „Immer größere Bedeutung erlangt auch die Auslagerung von Geschäftsprozessen“, besonders im IT-Bereich.
Bei der Betrachtung der mit den getätigten Investitionen einhergehenden Firmengründungen (z.B. Greenfield Investments), sticht eine klare Dominanz Deutschlands ins Auge: Von insgesamt 996 getätigten Investitionen aus den EU-Mitgliedsländern (bis zum Jahr 2003), entfielen 227 (also 22,8 %) auf Deutschland.
Die Struktur der deutschen Gesamtinvestitionen sieht ähnlich aus: 95 % der Gesamtinvestitionssumme des Jahres 2004 waren auf Greenfield-Investments zurück zu führen.
Die Jahre 2002 und 2003 zeigen die Bedeutung Polens als ausländischer Produktionsstandort für deutsche Unternehmen besonders deutlich: Mit Investitionen von insgesamt 4439 Mio. € in 2002, entfielen fast 20 % der entsprechenden Investitionen in den Reformländern auf Polen (Weltweit machte dies immerhin 2,6 % aus). Neben Tschechien und der Volksrepublik China gehörte Polen zu den wichtigsten Standorten für deutsche Unternehmen in den Reformländern. Die Anzahl deutscher Unternehmen in Polen ist seit 1989 mit einem durchschnittliche Zuwachs von 710 Unternehmen pro Jahr ständig gewachsen. Dabei fällt die Dominanz Polens und Tschechiens bei der Anzahl deutscher Unternehmen in den neuen EU-Mitgliedsstaaten auf: Mit ca. 34 % (Polen) und 29 % (Tschechien), entfielen schon im Jahr 2003 knappe 63 % aller deutschen Unternehmen in den heute neuen EU-Ländern auf diese beiden Staaten. Immerhin knapp 4 % des weltweiten Bestandes an deutschen Unternehmen im Ausland gruppierten sich in Polen (843 Unternehmen).
Der Aufbau eines eigenen oder die Übernahme eines bestehenden Unternehmens seitens deutscher Investoren spielt auf Grund der Stärke der deutschen Unternehmungstätigkeiten eine nicht unwesentliche Bedeutung für die polnische Wirtschaft. Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung stellen eine bedeutende Anzahl an Arbeitgeber auf dem polnischen Markt dar: „Im Jahr 2000 waren knapp 4,3 % der Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes in Polen für Unternehmen mit deutscher Beteiligung tätig.“.
Doch nicht nur der Arbeitsmarkt wird durch deutsche Investitionen beeinflusst: ADI generieren weitere Spill-Over Effekte, die Auswirkungen auf die polnische Wirtschaft und ihre Struktur haben. ADI stimulieren vielfach die Beschäftigungsentwicklung in anderen Unternehmen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung des Kapitalstocks und der Erhöhung der Produktivität – Sie schaffen damit neue Wachstumsimpulse.
Durch die Intensivierung der Handelsbeziehungen, zunehmende ausländische Investitionen und durch eine Differenzierung der Industriestrukturen eröffnen sich langfristige Wachstums- und Handelspotenziale. Für Polen ergibt sich daraus die Möglichkeit, „im Zuge dieser Entwicklung und im Verbund mit neuen ausländischen Investitionen weitere Beschäftigungsfelder, vorrangig in höher qualifizierten Bereichen zu erschließen“.
VI Polnische Unternehmen in Deutschland
Sind es in Polen vorwiegend große Konzerne die investieren, so dominieren unter den polnischen Unternehmen in Deutschland Klein- und Kleinstbetriebe, wie Lars Bosse, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Polnischen Außenhandelskammer betont.
Seit dem EU-Beitritts Polens wanderten immer mehr polnische Unternehmen und Investoren nach Deutschland, sodass im Jahre 2006 bereits 9500 polnische Firmen in deutschen Handelsregistern eingetragen waren. Die polnische Botschaft in Berlin ging damals von einem Investitionsvolumen von rund 550 Mio. Euro aus. Heute sind etwa 80 % der polnischen Unternehmen im Dienstleistungsbereich tätig und dabei überwiegend in der Lebensmittelbranche und dem Sektor der fortgeschrittenen Technologien. Die polnischen Investitionen konzentrieren sich räumlich auf Berlin, wo sich die Anzahl der polnischen Unternehmen im Laufe des Jahre 2005 (1327 Unternehmen) verdreifacht hat.
Das Engagement des polnischen Mineralölkonzerns PKN Orlen SA war eines der spektakulärsten dieser Art in den letzten Jahren: Mit dem Erwerb von 500 Tankstellen investierte Orlen nahezu 140 Mio. Euro und setzte somit als größtes polnisches Unternehmenein Zeichen für Investoren, die in den Westen folgen würden. Seit dem Markteintritt 2003 beschäftigt Orlen in der Nordhälfte Deutschlands knapp 3000 Mitarbeiter an den 521 Star-Tankstellen und in der Verwaltung.
Andere Unternehmen hat diese Erfolgsgeschichte begeistert und dazu bewegt, selbst den Investitionsschritt nach Deutschland zu wagen. So war es auch im Falle der Handelskette Smyk für Kinderspielzeug und -bekleidung: Nachdem im März 2006 die Eröffnung des ersten Pilot-Ladens in Berlin sehr zufriedenstellend verlief, intensivierte das Unternehmen sein Engagement in Deutschland durch Expansion (2 weitere Filialen kamen 2008 hinzu) und den Erwerb der Spiele Max AG aus Berlin.
VII Fazit: Deutsch-Polnische Wirtschaftsverflechtungen
Diesen Ausführungen folgend, kann man sich ohne Zweifel der Aussage des Leiter der Wirtschaftsabteilung der polnischen Botschaft in Berlin anschließen: „Deutschland und Polen führen außergewöhnlich dynamische Handelsbeziehungen, die zur Strukturänderung der polnischen Wirtschaft beigetragen haben“.
Die Nähe der beiden Staaten ist nicht nur politischer Art, sondern zeigt sich auch auf wirtschaftlicher Ebene durch einen regen Handels- und Kapitalaustausch. Betrachtet man die so entstandenen Verflechtungen mit einer Lupe, lassen sich eine Vielzahl deutscher Unternehmen in Polen und eine große Summe polnischer Investitionen in Deutschland entdecken.
Die Entwicklung, die die beiden Ländern gemeinsam durchlaufen haben, ist besonders vor ihrem historischen Hintergrund beachtlich. Polen und Deutschland, die sich seit mehreren Jahrhunderten feindlich gegenüberstanden, haben es heute erreicht, eine solide politische und wirtschaftliche Beziehung aufzubauen. Die Verflechtungen der Ökonomien beschränken sich nicht auf staatliche Maßnahmen und Unternehmungen, sondern sind auch in der Privatwirtschaft sehr ausgeprägt: Gerade in den Grenzregionen gibt es einen regen Austausch.
Die Erfolgsstory der beiden Nachbarstaaten führt vor Augen, wie eine geschichtlich vorbelastete Beziehung ausgebaut und durch Wirtschaft und Politik gestärkt werden kann. Die polnisch-deutsche Entwicklung ist Modell für weitere starke Partnerschaften dieser Art.
Waren Polen und Deutschland einmal lediglich Nachbarn, so sind sie heute Kooperationspartner in einem zusammenwachsenden Europa.
Am 17. Juni 2011 feiert der Nachbarschaftsvertrag zwischen beiden Ländern sein 20-jähriges Bestehen. „Man sei sich einig, so Pieper, dass dieser Vertrag auch weiterhin die Grundlage für das Verhältnis zwischen den beiden Ländern bilden solle, denn er habe sich bewährt“
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